Mittwoch, 5. März 2008

Das World Wide Web, oder warum ich lernte, Foren zu lieben!

Die bösen Kinder

Foren sind ein wichtiger Bestandteil des virtuellen Lebens im Internet geworden. Was wären wir ohne die zeitaufwändigen morgendlichen Reisen durch verschiedenste Foren, in denen wir registriert, begrüßt oder wieder verabschiedet werden!

Sie bieten uns Schutz und Entschuldigung vor unerledigter misslicher Arbeit. Sie verhindern Gott sei Dank, dass wir uns der kreativen Leere unseres Gehirns bewusst werden, falls uns eine dieser berühmt berüchtigten Schreibblockaden lähmt. Besser gesagt, wir bemerken dieses Vakuum erst gar nicht. Irgendein "wichtiger" Thread eines Forums, auf den wir antworten und den wir im Laufe des Tages zielstrebig verfolgen, schützt uns bestimmt davor.

Und überhaupt! Foren sind für die psychische und physische Gesundheit einer erheblichen Anzahl von Mitmenschen unerlässlich. Mein Gott, früher, vor den Zeiten des fast unendlichen, aber dank Google und anderer Suchmaschinen durchdringbar gewordenen Internets, stand es schlimm um einige von uns. All die kranken, aggressiven, gefrusteten Leute mussten sich reale Opfer suchen, die sie schlagen konnten, treten, bösartig verletzen und quälen, um letztendlich ihr eigenes Selbst(un)wertgefühl zu bestätigen.
Krankenakten und Patientenkarteien könnten lange Geschichten von Schwerverletzten erzählen. Schlimme Geschichten! Nun ja, das Arztgeheimnis schützt uns vor Kenntnisnahme solcher Moritaten.

Ein Beispiel: Heute tippt, nennen wir ihn Herr X, wenn ihm der Ärger mit Herrn Y aus der Wohnung über ihm, zu Kopf steigt, bei besagten Suchmaschinen einen Begriff ein, z. B. „Autoren-Forum". Schon wird er fündig. Er hat nun eine treffliche Auswahl zwischen rein lyrischen oder gemischten Foren. Wehe der Plattform, die keine kompetenten Wächter vor ihrer Türen Obacht geben lässt; Aufpasser, welche zielstrebig durch andere Foren wandern, Mitglieder wie Herrn X entlarven, um dann die IP-Türen des eigenen Forums fest zu verschließen:
Herr X würde sich hereinschleichen. So, wie er sich schon in viele Foren geschlichen hat, um dann sein gnadenloses Werk zu beginnen.
Eine nette Vorstellung seinerseits, ein paar nichtssagende freundliche Postings und Herr X, nun von allen geachtet und angenommen, kann sein ruchvolles Tun beginnen: Fräulein D, die mit den unrhythmischen Gedichten - Herr T mit seinen Erzählungen ohne Spannungsbogen und logischem Aufbau - ja, die wird er sich vornehmen. Hach! Die wird er nun in Grund und Boden versinken lassen, denen wird er zeigen, wie Versmaß, Satzaufbau und Plot misslungen sind. Diese dummen, dummen von sich eingenommenen Schreiberlinge, die glauben gut zu sein! Nun wird er ihnen mal ordentlich seine Meinung und seine Erfahrung zum Besten geben!
Innerhalb ein paar Stunden ist sein Werk vollendet. Schnell noch ein paar Beschimpfungen hinterlassend, begibt er sich auf die virtuelle Reise zu einem neu gegründeten Prosa-Forum; eines unter vielen mit schlafenden Wächtern. Denn Herr B unter ihm hört gerade wieder viel zu laut Musik! Und bei dem kann man sich nicht beschweren – der ist stärker und meist vormittags schon angetrunken.

Noch eine wichtige Daseinsberechtigung haben Foren ansich: Die zu allem klatschenden, früher anonyme Briefe verfassenden, sich immer der Meinung der Mehrheit anschließenden Mitglieder - nennen wir sie schlicht "Mitläufer", haben nun die Möglichkeit, sich unbeschadet an den Beschimpfungen anderer zu weiden! Sie hocken lauernd vor ihren Bildschirmen und freuen sich, lautlos hechelnd, über die Pein der Verunglimpften. Noch ein Schlückchen Wein … das nächste Posting … Heißa! Ihre Fähnchen flattern fröhlich im Wind, egal, aus welcher Richtung er weht. Eifrig hämmern sie in die Tasten und fraternisieren mit den Verspottenden.

Und dann sind da noch die Anderen. Die ehrlich bemühten, die arglosen, gutgläubigen, immer um Schlichtung und Wahrheit bedachten Mitglieder. Rastlos, arbeitsam und gestaltend - grundsätzlich an das Gute der Foren glaubend, die sich mit den Wächtern befreunden und Pakte schließen: Wenn sie ihre Aufgabe erfüllt sehen, ziehen sie weiter in andere Foren. Heimatlose Wanderer im Netz.
Moment ... ich muss diese Betrachtungen abbrechen! Die bösen, bösen Kinder vor unserem Haus schießen schon wieder unablässig ihren Ball an die Garagenwand. Und ihr Papa, unser Hausmeister spielt mit!

Da werde ich mich mal schnell bei dem neu gegründeten Lyrik-Forum anmelden. Und das hat überhaupt keine Wächter!

© Elke Kemna

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schön bissig geschrieben, liebe Elke, und jeder Satz ein Treffer!
Liebe Grüße
Fred
www.fred-lang.de

Elke K. hat gesagt…

Hallo Fred!
Schön, dass Du hier mal vorbei geschaut hast. Habe Deinen Kommentar eben erst gelesen.
Ja, ja, das Forenleben ... Die Geschichte ist schon etwas älter, passt eigentlich für alle Plattformen. Ganz wild geht es auf Auto-Foren zu. Da "treffen" Spezialisten aufeinander. Aber auch sonst kann man oft nur noch den Kopf schütteln.
Na dann! Ein schönes Wochenende und alles Gute weiterhin.
Gruß
Elke

basel farbARTig verstriggt hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.